Die Bestimmungen des § 99 VI GWB und des § 1 a Nr. 2 VOB/A verhindern, dass durch einen „Trick“ (Einbauschrank statt Schrank, verklebter Teppichboden etc.) das EU-Verfahren umgangen werden kann, indem man eine Lieferung mit einer „geringwertigen Bauleistung“ „verknüpft“ und so den Schwellenwert von 5,0 – 5,278 Mill. € unterschreitet.

GWB

§ 99 GWB Öffentliche Aufträge (1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. (2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Miete oder Pacht mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen. (3) Bauaufträge sind Verträge entweder über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen. (4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über Leistungen, die nicht unter Absatz 2 oder 3 fallen und keine Auslobungsverfahren sind. (5) Auslobungsverfahren im Sinne dieses Teils sind nur solche Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber auf Grund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan verhelfen sollen. (6) Ein öffentlicher Auftrag, der sowohl den Einkauf von Waren als auch die Beschaffung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, gilt als Dienstleistungsauftrag, wenn der Wert der Dienstleistungen den Wert der Waren übersteigt. Ein öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, gilt als Dienstleistungs-auftrag.

VOB/A

§ 1a Verpflichtung zur Anwendung der a-Paragraphen

  1. (1) Die Bestimmungen der a-Paragraphen sind zusätzlich zu den Basis-Paragraphen von Auftraggebern im Sinne von § 98 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für Bauaufträge anzuwenden, bei denen der geschätzte Gesamtauftragswert der Baumaßnahme bzw. des Bauwerks (alle Bauaufträge für eine bauliche Anlage) mindestens dem Gegenwert von Millionen Euro ohne Umsatzsteuer entspricht. Der Gesamtauftragswert umfasst auch den geschätzten Wert der vom Auftraggeber beigestellten Stoffe, Bauteile und Leistungen. Als Bauaufträge gelten Verträge entweder über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen (z.B. Bauträgervertrag, Mietkauf- oder Leasing-Vertrag). (2) Werden die Bauaufträge für eine bauliche Anlage mit einem geschätzten Gesamtauftragswert von mindestens 5 Mio. Euro in Losen vergeben, sind die Bestimmungen der a-Paragraphen anzuwenden
    • bei jedem Los mit einem geschätzten Auftragswert von 1 Mio. Euro und mehr,
    • unabhängig davon für alle Bauaufträge, bis mindestens 80 % des geschätzten Gesamtauftragswerts aller Bauaufträge für die bauliche Anlage erreicht sind.
  2. Die Bestimmungen der a-Paragraphen sind auch anzuwenden,
    • von den im Anhang I*) der Richtlinie 93/36/EWG genannten Beschaffungsstellen, wenn eine Baumaßnahme aus nur einem Bauauftrag mit einem Auftragswert von mindestens 137.000*) Euro ohne Umsatzsteuer besteht,
    • von allen übrigen Auftraggebern, wenn eine Baumaßnahme aus nur einem Bauauftrag mit einem Auftragswert von mindestens 211.000*) Euro ohne Umsatzsteuer besteht, und bei dem die Lieferung so überwiegt, dass das Verlegen und Anbringen lediglich eine Nebenarbeit darstellt.
  3. Maßgebender Zeitpunkt für die Schätzung des Gesamtauftragswerts ist die Einleitung des ersten Vergabeverfahrens für die bauliche Anlage.
  4. Eine bauliche Anlage darf für die Schwellenwertermittlung nicht in der Absicht aufgeteilt werden, sie der Anwendung der a-Paragraphen zu entziehen.

*) jetzt 206.000 € und 133.000 €.

  • Problematisch sind die in § 1 a Nr. 2 VOB/A genannten Fälle – sog. „Baumischeinzelleistungen“ – also überwiegende Lieferung (z. B. Schränke) und Einbau (lediglich als Nebenarbeit) oder verklebter Teppichboden als Bauleistung (Lieferung überwiegend, Verkleben lediglich Nebenarbeit) – hier lediglich Schwellenwerte: 206.000 bzw. 133.000 („Bund“) €. Kritisch sind auch die Fälle, in denen Dienstleistungen erheblich überwiegen und die Bauleistungen wenig erheblich sind – Wartungsverträge mit Instandhaltung/Instandsetzung etc.
  • OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10.2006 — Verg 35/06 – VergabeR 2007, 200, m. Anm. v. Wagner, Christof (teils krit. – Vorlagepflicht?) – Sicherheitsanlagen – VOB/A - Abgrenzung Bauauftrag/Dienstleistungsauftrag – Schwellenwert - Rügepflicht – es darauf an, aufgrund einer Analyse der kennzeichnenden und in den Verdingungsunterlagen dokumentierten rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gesamtumständen den Schwerpunkt des Auftrags zu ermitteln; soll der Auftragnehmer in erster Linie durch regelmäßige Wartung, Prüfung und gegebenenfalls Instandsetzungen geringen Umfangs einen störungsfreien Betrieb der Anlagen sicherstellen, folgt daraus die rechtliche Einordnung als Dienstleistungsauftrag; eine Interpretation, wonach bei Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit im Fall einer erkennbar unzutreffenden Wahl des Vergabeverfahrens der Antragsteller nicht nur hinsichtlich dieses Vergabefehlers, sondern mit allen weiteren Beanstandungen präkludiert ist, die mit der Verfahrenswahl bestimmungsgemäß zusammenhängen, mit der Folge, dass ihm das Vergabenachprüfungsverfahren nicht eröffnet ist, widerspricht dem Wortlaut und Sinn von § 107 Abs. 3 GWB; stellt der Auftraggeber bei den Eignungsanforderungen in den Verdingungsunterlagen Nachforderungen, obwohl er nur die aufgrund der Vergabebekanntmachung verlangten Eignungsnachweise konkretisieren darf, ist die Forderung nicht wirksam und muss von den Bietern nicht erfüllt werden.Vergabekammer Bund, Beschl. v. 31.7.2006 – VK 2-65/06 – Dienstleistung oder Bauleistung - Bauleistung als Nebenleistung – Wartung, Inspektion, Instandsetzungen- Rüge - Wartung von gefahrenmelde-, informations- und sicherheitstechnischen Anlagen (VOL) -
        geschuldete Wartung nach dem Wartungsvertrag:
    regelmäßige Maßnahme zur Bewahrung des Sollzustandes und der Funktion der Anlage einschließlich der Beseitigung aller betriebsbedingten Verunreinigungen an den zentralen Einrichtungen, ist damit höchstens ein sehr geringfügiger „Substanzeingriff“ in die Anlagen der Gebäudetechnik verbunden, so dass sie als Dienstleistung und nicht als Bauleistung zu qualifizieren sind; stellen bei einer gemischten Ausschreibung Bauleistungen im Verhältnis zu den geschuldeten Dienstleistungen [Wartung, Inspektion, Instandsetzungen] nur Nebenarbeiten dar, gilt der ausgeschriebene Auftrag gemäß § 99 Abs. 6 Satz 2 GWB als Dienstleistungsauftrag; die Wertanteile der verschiedenen Leistungen vermitteln für die rechtliche Einordnung des gesamten Auftrages im Regelfall lediglich Anhaltspunkte sowie eine erste Orientierung, es sei denn, sie weisen durch ihren objektiv deutlich überwiegenden Anteil den Bauleistungen oder den Liefer-/Dienstleistungen eindeutig den Auftragsschwerpunkt zu; ansonsten kommt es auf die den jeweiligen Einzelfall kennzeichnenden rechtlichen und wirtschaftlichen Merkmale und Umstände – insbesondere auf die Verteilung der mit der Auftragsdurchführung verbundenen Risiken auf die Beteiligten und deren Gewichtung – an;
      wählt der Auftraggeber das falsche Verfahren, gelten nur die Regelungen des objektiv richtigen Verfahrens; sofern sich die Antragstellerin auf den nur für europaweite Verfahren bestehenden Rechtsschutz beruft, muss sie sich an den für diese Verfahren geltenden Vorschriften unabhängig davon festhalten lassen, ob ihr diese Regelungen im Einzelnen bekannt sind; für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB kommt es allein auf die veröffentlichte Vergabebekanntmachung, nicht aber auf den Inhalt weiterer, den interessierten Bietern zur Verfügung gestellter Unterlagen an; erkennbar sind Regelverstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden.